Übersetzungsprobleme oder großes Spiel? Was hat Macron wirklich über den Dialog mit dem Kreml gesagt?

In den vergangenen Tagen sorgte die Meldung, Emmanuel Macron sei angeblich zu einem direkten Dialog mit dem russischen Diktator bereit, für Aufsehen in den Medien. Die Sonderkorrespondentin von RazomUA in Frankreich, Oksana Melnychuk, warnt jedoch vor vorschnellen Schlüssen: Die Äußerungen des französischen Präsidenten seien aus dem Kontext gerissen und falsch interpretiert worden.

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Президент Макрон у Парижі, липень 2021 року. Keystone / Sarah Meyssonnier / Pool
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Nach Ansicht der Expertin verbreitet sich im ukrainischen Informationsraum eine falsche Lesart der Botschaften des Élysée-Palastes. Macron sprach nicht von „Bereitschaft“ im klassischen Sinn, sondern von der Notwendigkeit der Eigenständigkeit Europas im Verhandlungsprozess.

„Wir Europäer zusammen mit den Ukrainern sollten über ein für uns und die Ukraine akzeptables Format des Dialogs mit Russland nachdenken – warum sprechen die Amerikaner mit Russland, und wir [Europäer] nicht?“

— Emmanuel Macron (Zitat nach Oksana Melnychuk)

Elitäre Sprache und realer Kontext

Oksana Melnychuk erklärt, dass die spezielle Ausdrucksweise des französischen Präsidenten oft selbst in Frankreich zu Missverständnissen führt. Im Kern seiner Aussage liegt jedoch eine pragmatische Sorge: Europa kann nicht außen vor bleiben, während Washington Verhandlungen hinter dem Rücken Europas führt.

„Macron sprach in dem Kontext, dass Verhandlungen ohne Europa keinen Sinn ergeben. Wenn die USA einen Dialog mit Putin führen, muss ein Format gefunden werden, das für Europäer und Ukrainer akzeptabel ist. Andernfalls kommt es darauf hinaus, dass die Amerikaner über etwas verhandeln und uns danach vor vollendete Tatsachen stellen,“ — bemerkt die Korrespondentin.

Hybridkrieg: Taten sind wichtiger als Worte

Oksana Melnychuk warnt davor, öffentliche Äußerungen als fertige Lösungen zu verstehen. In den heutigen Realitäten findet echte Diplomatie hinter verschlossenen Türen statt, und mediale Auftritte sind Teil einer hybriden Strategie.

„Wenn man die ganze französische Küche kennt, würde ich nicht vorschnell zu dem Schluss kommen, Macron mache einen Rückzieher. Vergessen wir nicht, dass wir uns in einem Hybridkrieg befinden und öffentliche Erklärungen Teil davon sind. Heutige Entscheidungen werden meist nicht mehr öffentlich verkündet. Beobachtet die Taten, nicht die lauten Aussagen, die aus dem Kontext gerissen sind.“

— Oksana Melnychuk, Sonderkorrespondentin von RazomUA in Frankreich

Damit lautet die Hauptbotschaft aus Paris heute: die Forderung nach Solidarität und die Verhinderung eines Szenarios, in dem über das Schicksal der Ukraine und Europas ohne ihre unmittelbare Beteiligung entschieden wird.

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